Wenige Tage nach der Diskussion mit Studierenden über das „Lyrische Ich“ und das „Empirische Ich“ im Rahmen der Ernst Jandl Lyrik Tage in Neuberg an der Mürz holt mich das Thema mit der vollen Wucht des „Erinnerns“, das Steffen Popp ins Gespräch brachte, ein: Mit großer Überraschung fand ich heute im „Spectrum“ der „Presse“ ein Gedicht von mir, was mich wie immer sehr gefreut hat. Doch hat es auch mein „empirisches Ich“ aufgewühlt. Und die Geschichtskette in meinem Kopf setzt sich in Bewegung und erzeugt Vergangenheit: Das Gedicht stammt aus der im Vorjahr im Berlin Verlag erschienenen Anthologie „Lyrik von Jetzt Zwei“, das zitierte Gedicht erschien ursprünglich in meinem Debüt-Band (2005) und gehörte damals bereits zum „alten Eisen“. So etwa 2003 in ein „lyrisches Ich“ eingeflossen ist die Erfahrung des „empirischen Ich“ aus dem Jahr 2000 und einer längst verdrängt geglaubten Liebe… So schließt sich der Kreis.
am ersten tag
meiner spät gewordenen
kindheit legtest du
zwei finger
vor meine schon
hungrig gewachsenen
lippen
und wir lernten
leise zu sein
kurz vor anbruch
des zweiten tages
war mir immer noch
keiner zu hilfe gekommen
so leise war ich
…aber daran erkennst du, dass deine zeilen für die ewigkeit gemacht sind…