Freitod und Sushi

deadfishDass man Geschichten auch zutode-recherchieren kann, ist weithin bekannt und nicht selten auch erleichternd (oder ernüchternd). Dass das auch bei Blog-Artikeln so sein kann, ist für mich eine neue Erfahrung. Einziger Unterschied: Ich schreib’s trotzdem, oder sogar deshalb. Folgender Artikel ist mit Humor zu nehmen, falls sich jemand in seinen Gefühlen verletzt fühlt, bitte ich um Entschuldigung und Kommentare.

 

Die Geschichte begann sehr einfach. Wie an so vielen sehr faulen Abenden, an denen mich das Hietzinger Nicht-Nachtleben den letzten Nerv kostet, hab ich mir auf meiner Lieblings-Website mein Abendessen bestellt. Und nachdem es unvorstellbare 20 Minuten später an meiner Tür geklingelt, der nette Bosnier (!)sich über sein Trinkgeld gefreut und meine Katzen mit großen Augen das Auspack-Manöver beobachtet hatten, dachte ich mir in meinem Taumel: Die Selbstmordrate in Japan mag die höchste weltweit sein, hierzulande haben die Japaner es wirklich heraußen, die Menschen glücklich zu machen. Kein lästiges Telefonat mit Menschen, die auch nach dem dritten Mal „und eine Dose Bier dazu“ nur Bahnhof verstehen und dann erst drei Häuser weiter klingeln, keine kalte Pizza, die im Backofen trocken wird, kein Problem mit den riesigen Pappkartons, die wochenlang in der Küche rumstehen, weil der Mistkübel zu klein ist: Nein. Einmal angemeldet, sucht man sich aus, was das Herz begehrt, schickt die Bestellung mit einem Mausklick ab und kann in weiterer Folge im Internet den Fortschritt der Bestellung verfolgen (und bekommt ein SMS, sobald’s auf dem Weg ist).

Dank meiner unbändigen Neugierde (und der Tatsache, dass ich nicht allein essen kann, ohne nebenbei im Netz zu surfen) wollte ich mein Gedankenkonstrukt (zur Erinnerung: die selbstmörderischen Japaner retten uns Österreicher nicht nur vorm Hungertod, sondern auch vor depressiven „Was in diesem Kühlschrank ist am wenigsten vergammelt“-Fragen und bescheren uns ein feierliches Abendessen) verifizieren. Und was muss ich da feststellen? Japan HAT JA GAR NICHT die höchste Selbstmordrate. Vielmehr: Die stets lächelnden Zeitgenossen stehen lediglich auf Rang 11 (laut WHO, 2008). Ganz oben auf der Liste stehen vielmehr Länder, die garantiert KEIN Essen in Wien liefern: Litauen, Weißrussland und Russland, gefolgt von Slowenien und Ungarn (noch VOR den Kasachen!). Von Österreich reden wir gar nicht… (aber die liefern AUCH KEIN gescheites Essen).

Somit war mein Geistesblitz gar nicht mehr so richtig interessant, weil nicht zu halten. Um aber bei den angenehmen Dingen des Lebens zu bleiben: Wie man auf dieser aktuellen Grafik sieht, ist die (erfasste) Rate ausgerechnet in den spanischsprachigen Ländern am geringsten! Nicht nur, dass die USA weit hinter Europa liegen, Südamerika (auch Mexiko und eben Spanien) scheint die glücklichsten Einwohner zu haben. Was mich wiederum auf eine intellektuellere Ebene bringt (oder die erste heute überhaupt). Auf Ö1 gab’s kürzlich (ich suche noch danach) einen sehr aufschlussreichen Bericht eines „Zeit-Forschers“, der das Zeitgefühl im weltweiten Vergleich unter die Lupe genommen hat. Ergebnis: In Südamerika gehen die Uhren anders (nicht zuletzt deshalb haben meine Kollegen Helwig Brunner und Stefan Schmitzer nach unserem Nicaragua-Aufenthalt das Wort „nica-time“ eingeführt): Kein Stress, lautet dort die Devise, öffentliche Uhren sind dort Mangelware, man trifft sich nicht zu bestimmten Uhrzeiten, sondern halt „nach der Arbeit“ oder „am Vormittag“. Je nachdem, wer zuerst dort ist: Man kann sich die Zeit so wunderbar vertreiben, irgendwann trifft man sich schon. Und wenn nicht – auch kein Problem. Wie sich das alles auf die Wirtschaft auswirkt, wage ich nun nicht zu recherchieren.

Eines hab ich jedenfalls gelernt: Nächstes Mal bestelle ich beim Mexikaner.

4 Gedanken zu “Freitod und Sushi

  1. tja, den mehrwert dieses blogs hab ich nie in frage gestellt. aber mit hitze hat dieses kaff eben gar nix zu tun 🙂

  2. genau, mehrwert. hätt mich schön blamiert, das hietzinger tor kommt in meinem neuen mansuskript vor…mehrfach. tja. das kommt davon, wenn man immer alles besser zu wissen glaubt…

  3. Moin,
    also ich frage mich ja eher, ob erzkatholische Länder überhaupt Selbstmordraten erfassen. Immerhin ist das eine Todsünde.
    Und in islamische Extremisten glauben ja etwas Gutes durch ihre selbsttötung zu bewirken.. (allerdings nur ein kleiner Prozentsatz) Jedoch ist die sichtweise, bzw. das Umgehen mit diesem Thema von Kultur zu Kultur unterschiedlich und wird wohl nie durch eine Zahl vergleichbar sein.

    aber interessanter Beitrag ^^
    LG

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