der fluch des professionellen lesens

nach meinem kleinen exkurs über das semi-professionelle schreiben (wissenschaftliche arbeiten) und den reaktionen auf meine kleine, aber sehr feine „hitlist des scheiterns„, hier ein paar worte über das weglegen von büchern: das erregte lesen von freiwillig ausgesuchter literatur hab ich erst heuer wieder reaktiviert entdeckt. 

seit juni 2001, also seit meiner matura (wir danken albert wogrolly), durfte ich mit dem lesen nicht nur mein geld verdienen, sondern das lesen wurde gegenstand von punktueller wissensabfrage. und nicht etwa sekundärliteratur – seit sieben jahren oder so fresse ich mich durch den kanon und seine ausläufer, um irgendwan dem zu entsprechen, was man einen germanisten nennt (bald bin ich LINGUIST, dann ist der spuk vorbei). rund 80 prozent der (an)gelesenen bücher in meinen regalen habe ich aufgrund von literaturlisten angeschafft, oft stand ein werk pro woche auf dem programm (neben dem job, versteht sich), die ausbeute bei dünnen heftchen wie „wilhelm meisters lehrjahren“, „auslöschung. ein zerfall“ oder (fill in the blank) war dementsprechend tiefschürfend. sprich: die akademische laufbahn besteht aus manischem an- und querlesen, blättern in literaturgeschichten, genervtem anschauen von trügerischen verfilmungen, die bei der prüfung zum verhängnis werden (siehe „blechtrommel“) etc.

nicht zu verleugnen ist die privilegierte situation, neuerscheinungen besprechen zu dürfen, durch die man definitiv auf der höhe des geschehens bleibt, hinzu kommt die kritische lektüre und die transformation von „text zu text“ (portmann-tselikas), was schlussendlich entweder zu tiefer verankerung im bewusstsein führt oder aber zum schnellsten vergessen seit c. hörbigers autobiografie.

zweifelhaft war stets die lektüre von literarischen bewerbungstexten für eine literaturzeitschrift, deren redakteurin und herausgeberin ich einige zeit war. da will man nicht nur mit dem lesen aufhören, sondern auch mit dem schreiben.

schluss mit der monokultur der deutschsprachigen literatur, sagte ich mir spät aber doch (also heuer). konsequentes aufholen von allgemeinbildung, nenne ich das. und seitdem – habe ich keinen fernseher, dafür aber wirklich gelesene bücher in meinem schlafzimmer stehen. und dass man dann irgendwann selektiv wird, manchmal resigniert, die lektüre der „ewigen hitlist des scheiterns“ – durchaus auch aufgrund der aus respekt und qualitätsgründen aufzuwendenden zeit und muße – auf später verschiebt, scheint mir durchaus verdient.

2 Gedanken zu “der fluch des professionellen lesens

  1. Ein Prof von mir auf der Uni (Anglistik) hat gekündigt, weil er gesagt hat, dass er wieder mit Genuss lesen will und dass ihm das wichtiger ist als die Uni-Karriere…

    Was ich jetzt erst wieder entdecke ist der Mut zum Schund – man tut schnell auch privat so, als wollte man nur die höchste Literatur lesen, und wenn man sich durch vieles durchquält, was Allgemeinbildung ist, vergehts einem schnell wieder. Da hilft ein schnell dazwischengeworfener Terry Pratchett 🙂

  2. Ja, oder eben häppchenweise Palahniuk, wenn man grad nix im Magen hat. Die New York Times fand die Lektüre ja nicht so lustig…

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